Herpes
Das griechische Wort Herpes bedeutet soviel wie „schleichender Schaden". Bis zu 90% der Bevölkerung sind infiziert und 1/4 davon leiden immer wieder unter Rezidiven. Die Viren der Herpes simplex Gruppe (HSV) verbleiben trotz Antikörperbildung und zellulärer Immunantwort zeitlebens in ihrem Wirt. Und der primäre Wirt vom HSV ist: der Mensch. Gemeinsam ist allen Herpesinfektionen die Reaktivierung der latenten Infektion aus den zugehörigen Ganglien.
Von den wissenschaftlich acht bekannten humanen Herpesviren werden zwei serologisch verschiedene Subtypen eingeteilt:
- Herpes Simplex labialis oder auch
- orofacialer Typ: HSV-1, Herpes Simplex genitalis: HSV-2.
Wegen zunehmender Sexualpraktiken mit orogenitalen Kontakten kommen in 10% der Fälle aber auch die gegensätzlichen Lokalisationen vor. Die Übertragung erfolgt durch Schmierinfektion im lokalen Epitheldefekt mit anschließender Virämie. Danach wandern die Virionen über die Axone in die Epidermis. Die Zerstörung und Bläschenbildung erfolgt schließlich nach weiteren Replikationen in der Haut. Diese Prozesse können mehrere Tage bis zu einer Woche in Anspruch nehmen. Andererseits können die Bläschen z.B. nach UV-Bestrahlung bereits innerhalb von 24 Stunden ausbrechen. Da die Erreger in dieser kurzen Zeitspanne nicht aus dem Ganglion aktiviert werden können, vermutet man, dass in diesen Fällen die Replikation peripher vorhandener Viren stimuliert wird.
HSV bleibt lebenslanger Gast
Abb. 1 Herpes-Reinfektion am Gesäß
Nach stummer oder klinisch manifester Erstinfektion verbleiben HSV-1 und HSV-2 latent in den sensiblen Neuronen der Ganglien. Dabei kann es auch stille Überträger geben, z.B. gesunde Partner von Herpes-Patienten ohne bisherige Herpesinfektion. Die Latenz bis zum Ausbruch wird durch das Zusammenspiel von Virus und zellulärem Immunsystem reguliert, jedoch entwickelt der infizierte Mensch keine krankheitsverhindernde Immunität gegenüber HSV. Häufig leiden Patienten an lästigen Reinfektionen, also einer erneuten Infektion wie z.B. bei dem in Abb. 1 gezeigten juckenden, beim Sitzen sehr störenden Herpes am linken Gesäß.
Besonders bekannte Auslösefaktoren für ein erneutes Aufflammen sind alle Formen einer seelischen Belastung. Neben Alltagsstress, wie z.B. Prüfungsangst, sind es schwere emotionale Belastungen wie Trauer oder Trennung. Einige Patienten berichten, dass schon ein heftiges Ekelgefühl, z.B. vor einem benutzten Glas, genügt, um den Ausbruch zu provozieren. Ein anderer bekannter Auslöser ist das Sonnenlicht, insbesondere Bergwanderer in hohen Regionen oder Gletschergebieten werden regelmäßig konfrontiert. Hier helfen UV-Lippenschutzstifte, z.B. Anthelios LSF 50+. Da Frauen vor der Menstruation und während der Schwangerschaft besonders anfällig für Herpes Rezidive sind, werden auch hormonelle Einflüsse angenommen.
Verlauf in fünf Stadien
Abb. 2 Herpes mit Superinfektion
Abb. 3 Herpesinfektion am Auge
Der Verlauf einer typischen Herpes-Episode ist charakterisiert durch verschiedene aufeinander folgende Stadien.
Tag 1-2
pelziges Gefühl mit Hautspannung und Schwellung. Prodromalsymptome wie Schmerzen, Brennen und Jucken an der Stelle des späteren Ausbruchs sind bereits Zeichen der Virusreplikation. Jetzt haben die externen Virustherapeutika ihre optimale Wirksamkeit: Schon bei den ersten Symptomen sollte die Creme möglichst sofort und mehrfach täglich aufgetragen werden.
Tag 2-3
Bläschenstadium: Erste sichtbare Anzeichen kleiner Bläschen.
Tag 4
Nässe und Wund-Stadium, Bläschen platzen und hinterlassen nässende Wunden. Dies ist das schmerzhafteste Stadium mit der größten Ansteckungsgefahr, insbesondere für nicht infizierte Personen.
Tag 5-8
Krusten-Stadium: Verschorfung zu braunen Krusten. Brechen die Verkrustungen auf, kann es zu Juckreiz und Brennen mit Blutung kommen. Infektionsbedingte, entzündliche Prozesse können die Abheilung der Haut behindern. Auch kommt es lokal oft zu sekundären Superinfektionen, die eine Mykose oder Impetigo contagiosa imitieren (Abb. 2).
Tag 9-12
Abheilungsstadium: Die Verkrustung löst sich ab. Da es sich beim HSV um ein neurotropes Virus handelt, muss auch an eine begleitende Infektion des ZNS gedacht werden. Bei Symptomen wie starkem Kopfschmerz, Dysphasie, Hemiparese oder epileptischen Anfällen ist eine neurologische Untersuchung zwingend.
Das Ekzema herpeticatum
Abb. 4 Mundfäule bei Herpes-Erstinfektion
Abb. 5 Mutter und Kind mit Herpes
Vor allem bei Patienten mit atopischem Ekzem kann es zu einer generalisierten Infektion der Haut und Beteiligung viszeraler Organe kommen, dem Ekzema herpeticatum. Begleitet werden die teils gedellten Bläschen auf ekzematöser Haut von hohem Fieber und Krankheitsgefühl. Abb. 5 zeigt einen atopischen Jungen, mit Sekundärinfektion durch den Herpes labialis der Mutter.
Die Erstinfektion bei Kleinkindern verläuft in der Regel schwerer als die nachfolgenden Rezidive. Die Anzeichen ähneln eher einer Angina. Als Folgeerscheinung kann es zur so genannten „Mundfäule" (Abb. 4) kommen. Dabei handelt es sich um eine massive Entzündung der Mundschleimhaut mit weißen Aphthen, hohem Fieber und Appetitlosigkeit.
Zur Lokaltherapie des Herpes stehen einige Virustatika zur Verfügung (siehe unten). Mittel der Wahl bei unkompliziertem Herpes ist zweifellos Aciclovir, da es sich seit über zwei Jahrzehnten bewährt hat. Tipp: Die Patienten sollten zuhause im Kühlschrank und auf Reisen immer eine 2g-Tube zur Verfügung haben.
Auch Eiswürfel und Honig helfen
Doch nicht nur Virustatika, auch eine Vielzahl von Mitteln, für die kein spezifischer Wirkungsmechanismus bekannt ist, kommen zum Einsatz. Manche schwören auf Zahnpasta, Eiswürfel, Rasierwasser, Honig, Kamillentee und Myrrhae-Tinktur. Hautfarben getönt ist die Lomaherpan Creme, ein Melissen-blätterextrakt. Vermutlich sorgen einige für unspezifische Linderung der Symptome, andere wirken anti-inflammatorisch oder wundheilungsfördernd. Auch die Inaktivierung von freien Herpesviren durch die Detergentien kann eine Rolle spielen. Patienten können auch unter Placebo eine Besserung ihrer Symptome wahrnehmen. Also: Wer heilt, hat recht und was heilt, ist richtig.
Häufig verwendete Virustatika
- Aciclovir
- z.B. Zovirax®; Herpes Rezidive werden im Schnitt um vier bis fünf Tage verkürzt, Mittel der Wahl bei unkompliziertem Herpes
- Penciclovir
- Fenistil® Pencivir bei Lippenherpes
- Foscarnet
- z.B. Foscavir®; zeigt keine Wirksamkeit bei etabliertem Herpes labialis
- Tromantadin
- Viru-Merz® Serol; erhöhte Rate von Kontaktsensibilisierung von ca. 5%
- Idoxuridin
- Virunguent®, Zostrum®
Kompakt
Wenn das Virus blind macht
Besonders bedroht von einer Herpesinfektion sind die Augen (Abb. 3) wegen der schweren Komplikation der Herpeskeratitis, deren Rezidive in den Industrienationen die häufigste Erblindungsursache darstellen. Daher im Zweifel immer die Überweisung zum Augenarzt zwecks Spaltlampenkontrolle. Besondere Vorsicht gilt beim Einsetzen der Kontaktlinsen.
Herpes an prekärer Stelle
Herpes an prekärer Stelle
Bei Frauen äußert sich die Primärinfektion beim Herpes genitalis als Vulvovaginitis. Sie findet sich vorwiegend bei jungen Frauen, wobei nur 37% aller genitalen HSV-2-Primä-rinfektionen klinische Symptome zeigen. Bei Männern kommt es zur Balanoposthitis mit Befall von Glans und Vorhaut. HSV kann sich nicht nur in peniler und vulvovaginaler Lokalisierung, sondern auch an analer und perianaler Schleim und Übergangshaut manifestieren.
Nicht mit Klopapier sparen!
Herpesviren können durch Hautkontakt, aber auch über Oberflächen aller Art übertragen werden, und das besonders gut in feuchtem Milieu: Also z.B. auch Trinkglas, Klodeckel oder sogar kontaminiertes Toilettenpapier kann zur Infektion führen. Deshalb: Auf einer fremden Toilette die ersten zwei Blätter Klopapier wegwerfen.
Ihr Dr. med. Michael Schnicke